Gesetz, ewiges (lat. lex aeterna). Der Ausdruck ‹e.G.›, der in der
Stoa bedeutsam wird, dient dort zur Bezeichnung
einer Eigenschaft des allumfassenden, unwandelbaren Welt-G. So nennt
Chrysipp nach einem von Cicero überlieferten Ausspruch Zeus die Kraft des beständigen und immerwährenden G., das in eins gesetzt wird mit der schicksalhaften Notwendigkeit: «legis perpetuae et aeternae vim ... Iovem esse dicit eandemque fatalem necessitatem appellat» (er sagt, daß Jupiter die Kraft des immerwährenden und beständigen G. sei, und nennt es vom Schicksal verhängte Notwendigkeit)
[1]; so spricht
Cicero selbst von einem G., das weder in den Köpfen der Menschen erdacht noch durch Volksbeschluß festgestellt worden, sondern etwas Ewiges sei, das die gesamte Welt regiere («legem neque hominis ingeniis exeogitatam nec scitum aliquod esse populorum, sed aeternum quidquam quod universum mundum regeret»)
[2]. Diesem G. – identisch mit dem Natur-G. – ist die Welt in ihrem Lauf ebenso unterworfen wie der Mensch in seinem sittlichen Handeln. – Die Bezeichnung
Christi als endgültiges und ewiges G. (
τελευταῖος νόμος αἰώνιος) bei
Justin[3], des
Neuen Bundes als e.G. («lex aeternalis») gegenüber dem zeitlichen der Juden bei
Tertullian[4] zeigt die Verbreitung des Wortes und die mangelnde Fixiertheit des Begriffes an.
Eine spezifische Bedeutung erhält der Begriff ‹e.G.› erst dort, wo die Welt als Schöpfung verstanden wird und Natur-G. und e.G. klar zu unterscheiden sind. Das geschieht zuerst bei
Augustin. Er überträgt die wesentlichen Merkmale des stoischen Welt-G.: Unwandelbarkeit und Universalität auf das e.G.
[5], während das Natur-G. die besondere Weise menschlicher Teilhabe am e.G. besagt
[6] und damit seine Universalität und Identität mit dem Weltgesetz einbüßt. Ausgangspunkt für die Annahme eines e.G. ist die Wandelbarkeit und beschränkte Gültigkeit des zeitlichen G. (das sind die göttlichen und staatlichen positiven Gesetze), das aus sich nichts Gerechtes zu gewährleisten vermöchte: «in illa temporali nihil esse iustum atque legitimum quod non ex hac aeterna sibi homines derivaverint» (in jenem zeitlichen G. gebe es nichts Gerechtes und Gesetzmäßiges, was die Menschen nicht aus diesem ewigen für sich abgeleitet hätten)
[7]. – Die Bezeichnungen des e.G. als höchste Vernunft («summa ratio»)
[8], göttliche Weisheit («divina sapientia»
[9]) oder auch als Gott selbst
[10] machen deutlich, daß Augustin im e.G. nicht ausschließlich einen von Gott und seiner Schöpfungstat zu unterscheidenden Erlaß über das Universum sieht, sondern die im Sinne seiner Ideenlehre gefaßte Weltordnung, ohne daß jedoch das normative Moment vernachlässigt würde, da das e.G. ebenso auch Ausdruck des göttlichen Willens ist, die Geschöpfe je nach ihrer Eigenart zu lenken, und darüber hinaus unmittelbare Richtschnur für das Handeln des «homo ordinatissimus»
[11].
Diese Elemente hat Augustin in einer für die weitere Entwicklung maßgebenden Bestimmung des e.G. zusammengefaßt: Das e.G. ist die göttliche Vernunft oder der Wille Gottes, der die natürliche Ordnung zu bewahren befiehlt und zu verwirren verbietet («lex vero aeterna est ratio divina vel voluntas dei ordinem naturalem conservari iubens, perturbari vetans»)
[12]. – Der normative
Aspekt tritt dort zurück, wo das e.G. als göttliche
Vorherbestimmung gefaßt wird, wie bei
Johannes Scotus Eriugena[13].
Die Erneuerung der Lehre von e.G. im 13. Jh. bewegt sich zunächst ganz im augustinischen Rahmen.
Johannes von Rupella, wohl der Verfasser des Traktats ‹De legibus› in der ‹Summa Fratris Alexandri›, betont die Einheit des e.G. und die Abhängigkeit aller anderen Gesetze von ihm
[14], er hält auch an den gleichen Eigenschaften wie Augustin fest, obwohl ihm die Unveränderlichkeit Schwierigkeiten macht
[15]. – Demgegenüber schränkt
Matthäus von Aquasparta die Universalität des e.G. ein, da von G. im eigentlichen Sinne nur bei der Leitung von vernünftigen Geschöpfen die Rede sein kann
[16].
Thomas von Aquin sieht entsprechend seinem allgemeinen G.-Begriff im e.G. eine Anordnung der göttlichen Vernunft, die darauf abzielt, die gesamte Schöpfung in ihrem Wirken auf Gott selbst als auf das gemeinsame Gut des Universums hinzuordnen
[17]. – Thomas hält also an der Universalität des e.G. fest, ebenso wie er die Abhängigkeit aller Gesetzlichkeit von diesem G. ausdrücklich hervorhebt. Doch im Gegensatz zu Augustin und der älteren Franziskanerschule fehlt jeder Hinweis auf eine unmittelbar handlungsleitende Funktion des e.G., dessen Position nicht praktisch, sondern spekulativ ist
[18].
Während für Johannes Duns Scotus und Wilhelm Ockham das e.G. bedeutungslos bleibt, greift
Gregor von Rimini auf die augustinische Formulierung zurück, wobei er einseitig die göttliche
Vernunft betont und sie mit der rechten («recta ratio») identifiziert, und zwar so, daß die Richtigkeit nicht in der Göttlichkeit ihren Grund hat
[19]. –
Gabriel Biel übernimmt weitgehend diese Auffassung
[20]. –
Gabriel Vasquez zieht die in ihr liegenden Konsequenzen: Die Richtigkeit als erste Regel für Gut und Böse wird vollends von der Göttlichkeit gelöst und in die vernünftige Natur verlegt
[21]. – Eine Ableitung des Natur-G. erübrigt sich also, das e.G. wird reduziert auf ein theoretisches Wissen von den Dingen im göttlichen Intellekt. Gegenüber dieser einseitigen Betonung der Vernunft, die den normativen Charakter des e.G. zurücktreten läßt, hält die Mehrheit der Barockscholastiker an dessen Normativität und praktischer Bedeutsamkeit fest, indem sie – wie z.B.
Franz Suárez – das e.G. als ein Dekret des göttlichen
Willens bestimmen: «legem aeternam esse decretum liberum voluntatis dei statuentis ordinem servandum» (das e.G. sei ein freies Dekret des Willens Gottes, der die Ordnung zu bewahren bestimmt)
[22] und – wie etwa
Bartholomäus Mastrius – die mit dem Gesetz gegebene
Verpflichtung hervorheben: «legem essentialiter consistere in actu voluntatis, quo legislator vult subditos obligare» (das G. bestehe seinem Wesen nach in jenem Willensakt, durch den der Gesetzgeber die ihm Untergebenen verpflichten will)
[23].
Eine Umwandlung erfährt der Begriff bei
Melanchthon, der zwar das e.G. «Weisheit Gottes» nennt, es aber gleichsetzt mit dem Natur- oder Sitten-G. bzw. dem Dekalog: «una lex aeterna omnium temporum, quae est sapientia Dei insita mentibus hominum in creatione, sive nominetur lex naturae sive lex moralis seu Decalogus» (es gibt ein e.G. für alle Zeiten: das ist die Weisheit Gottes, die dem Geist der Menschen bei der Erschaffung eingepflanzt worden ist, möge es nun Natur-G., moralisches G. oder Dekalog heißen)
[24], so daß die spezielle Funktion des e.G. aufgehoben wird, eine
Auffassung, die sich in der protestantischen Schulphilosophie allerdings nicht durchsetzt. So hält
Calixt an der Dreiteilung von e.G. – Naturgesetz – positivem G. (= Sitten-G. bzw. Dekalog) fest
[25].
Außerhalb der Scholastik und Schulphilosophie verliert der Begriff ‹e.G.› jedoch jede Bedeutung. In der Neuscholastik wird er gewöhnlich nur in historischer Absicht referiert.