Reell
5396
10.24894/HWPh.5396
Klaus HeldCornelius Borck
Reell I (Husserl)
3496
Held
Klaus
Phänomenologie
wirklich
reell/real8 384
Reell II (math.)
3497
Borck
Cornelius
Mathematik
Zahlen, reelle
reelle Zahlen
imaginäre Zahlen
Zahlen, imaginäre
I. – Das in Umgangssprache und philosophischen Texten im Sinne von ‹real› gebrauchte
[1] Adjektiv ‹reell›
bekommt in der Phänomenologie
E. Husserls eine eigene terminologische Kontur. «Reell» heißt dort die Seinsart der noetischen Gehalte des Bewußtseinslebens, sofern diese als identische und individuelle Objekte vermöglicher Reflexion an einem bestimmten Jetzt (oder einer Jetztfolge) der immanenten Zeit vorhanden und in diesem Sinne «wirklich» sind
[2]. «Reell» wird bei Husserl unterschieden von «real»
[3], womit er die Seinsart des raumzeitlich, in sinnlicher Wahrnehmung Gegebenen bezeichnet, und «ideal»
[4], der Seinsart des eidetisch Erfaßbaren, das nicht an einer Zeitstelle lokalisiert, sondern allzeitlich ist. Reales und Ideales stehen als die beiden Bereiche des Noematischen dem Reellen als dem Noetischen gegenüber.
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Vgl. Art. ‹R.›, in: Dtsch. Fremdwb., bearb. O. Basler/
A. Kirkness/E. Link u.a. 3 (1977) 210f.; dort auch Verweis auf G. F. Meier: Met. (1755–59) § 132. |
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E. Husserl: Ideen zur einer reinen Phänomenol. und phänomenolog. Philos. 1 (1913) § 88. Husserliana 3/1 (Den Haag 1976) 202ff. |
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Erfahrung und Urteil. Unters. zur Genealogie der Logik ( 21954) 309ff. |
II. – In der
Mathematik bezeichnet der Begriff ‹reell› jene Menge der Zahlen, die als Zahlengerade veranschaulicht werden kann. Die Menge ℝ der reellen Zahlen umfaßt die ganzen, die rationalen und die irrationalen, nicht als Bruch ganzer Zahlen darstellbaren (aperiodisch-unendliche Dezimalbrüche) Zahlen. Die vollständige algebraische Abgeschlossenheit findet der Zahlenraum allerdings erst in der Erweiterung der Menge ℝ um die imaginären Zahlen zur Menge ℂ der komplexen Zahlen. Die präzise Differenzierung anhand der Begriffe ‹reell› und ‹imaginär› findet sich zuerst in der ‹Géometrie› (1637) von
R. Descartes[1].
Die Unterscheidung kommensurabler und inkommensurabler Größen (anhand der Nichtdarstellbarkeit von √2 als Zahlenverhältnis) durch die Pythagoräer verrät ein Vertrautsein mit den reellen Zahlen der Sache nach
[2]; ein Vorverständnis kann sogar bis zu den Babyloniern und Ägyptern
[3] verfolgt werden.
Eudoxos von Knidos gibt in seiner Theorie der Größenverhältnisse eine erste Theorie der reellen Zahlen
[4].
Im Zuge der Einführung der Dezimalbrüche im 16. Jh.
[5] breitet sich der Gebrauch reeller Zahlen aus, aber erst 1821 liefert
A.-L. Cauchy ein vollständiges Konstruktionsprinzip der reellen Zahlen
[6];
R. Dedekind (1872) und
G. Cantor (1883) zeigen weitere, bis heute gültige Konstruktionsweisen des Körpers der reellen Zahlen
[7].
Auch der Gebrauch imaginärer Zahlen reicht weiter zurück als ihre Formalisierung (bis ins 16. Jh.)
[8]; noch
G. W. Leibniz äußert sich skeptisch über ihre Existenz
[9]; erst
C. F. Gauss liefert ein präzises Konstruktionsverfahren für die Menge der komplexen Zahlen und die Zahlenebene als Veranschaulichung
[10].
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R. Descartes: La géometrie 3. Oeuvr., hg. Ch. Adam/P. Tannery 6 (Paris 1965) 453. |
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Vgl. O. Neugebauer: Vorles. über die Gesch. der Math. 1 (1934) 33ff. |
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Überliefert in: Euklid: Elementa V. |
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Vgl. F. Klein: Elementarmath. 1 (1933) 35f. |
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A.-L. Cauchy: Cours d'analyse de l'école royale polytechn. (1821). Oeuvr. compl. II/3 (Paris 1897). |
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Vgl. R. Dedekind: Stetigkeit und irrat. Zahlen (1872). Ges. math. Werke 3 (1932) 315ff.; G. Cantor: Über unendl., lineare Punktmannichfaltigkeiten 5, § 9. Math. Annalen 21 (1883) 564ff. |
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So wird der Gebrauch imag. Zahlen z.B. bereits H. Cardano zugeschrieben, vgl. Klein, a.O. [5] 61. |
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Vgl. G. W. Leibniz: Specimen novum analyseos pro scientia infiniti circa summas et quadraturas (1702). Math. Schr., hg. C. I. Gerhardt 5 (1858, ND 1971) 350–361, bes. 357. |
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C. F. Gauss: Anzeige der Theoria residuorum biquadraticorum. Comment. sec. (1831). Werke 2 (1876, ND 1973) 169–178, bes. 174ff. |