Tat tvam asi («Das bist du») ist ein Satz aus einem Abschnitt der ‹Chāndogya-Upaniṣad›
[1], in dem gelehrt wird, daß das «Seiende» (sat), ein vor allem als Lebenskraft bestimmter feiner Urstoff, das einheitliche Wesen (ātman) von allem sei und somit auch mit dem Wesen oder Selbst des Menschen (ātman) identifiziert werden könne
[2]. Nach der Interpretation des streng monistischen ‹Advaita-Vedānta› drückt der Satz die Identität des eigenen Selbstes (ātman) mit dem vor allem als reine Geistigkeit (cit) bestimmten Absoluten (brahman) aus
[3]. Nach
Rāmānuja besagt die in T.t.a. ausgesprochene Gleichsetzung von Individuum und Absolutem nur, daß die Individualseelen von Gott durchdrungen und Teil seines «Leibes» sind
[4]. Der radikale Antimonist
Madhva schlägt, unter Ausnutzung der euphonischen Regeln des Sanskrit, die Lesung atat tvam asi – «das bist du nicht» – vor
[5].
A. Schopenhauer hat das T.t.a. zur Bestätigung seiner Ethik herangezogen, die Mitleid und selbstloses Handeln damit erklärt, daß mein wahres inneres Wesen in jedem
Lebenden existiere. Über
P. Deussen, der darin eine praktische Forderung begründet sehen wollte, hat diese ethische Deutung des T.t.a. auch auf den modernen Hinduismus zurückgewirkt
[6]. In der indischen Tradition, insbesondere dem ‹Advaita-Vedānta›, war das T.t.a. trotz einiger bemerkenswerter Ausnahmen
[7] im allgemeinen nicht zur Begründung ethischen Verhaltens verwendet worden
[8].