Kuno Raebers Beschwörungen 

Vorbemerkung

Kuno Raebers Beschwörungen - Ein Gedichtzyklus im DialogVorbemerkung10.24894/978-3-7965-4622-8Wolfram Malte Fues, Walter MorgenthalerVorbemerkung Kuno Raeber ist am 20. Mai 1922 in Klingnau (Aargau) geboren und hat seine Kindheit im grossväterlichen Haus des Luzerner Verlags Räber verbracht. Ab 1958 lebte der promovierte Historiker als freier Schriftsteller in München. 1992 starb er an den Folgen einer Aids-Erkrankung in Basel. Kuno Raebers letzter Gedichtband Abgewandt Zugewandt, 1985 im Zürcher Ammann Verlag erschienen, wird eröffnet durch einen fünfteiligen Zyklus mit dem vieldeutigen Titel Beschwörung. Er bildet die Kompaktfassung eines 29-teiligen Entwurfs-Zyklus, den Raeber zwischen Dezember 1980 und September 1981 im letzten seiner Gedicht-Notizbücher angelegt hatte. Der ursprüngliche Titel: Beschwörung des Todes. Die Deutungsräume der Beschwörungen bleiben weit offen, und es ist vor allem die sich rundende Zyklus-Form, die zu übergreifenden Interpretationen verlockt. Das auf den folgenden Seiten festgehaltene Zwiegespräch (Hin und wider) zwischen den beiden Herausgebern des vorliegenden Buches ist ein Ausdruck davon. Es wurde angeregt durch eine Podiumsveranstaltung, die 2017 anlässlich der Präsentation der Online-Edition von Kuno Raebers Lyrik im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern stattfand. Unsere Texte entstanden über den Zeitraum von mehreren Jahren hinweg im Mail-Austausch. Sie sind der Versuch einer Verständigung zwischen unterschiedlichen Positionen, ohne das oft Unvereinbare überspielen zu wollen. Entsprechend werden auch der streitbare sprachliche Duktus, die variierende Zitationsweise und die labile Genderkonformität beibehalten. Die Diskussion folgt Schritt für Schritt den fünf Gedichten des 1985 veröffentlichten Zyklus. Der jeweils vorangestellten, letztwilligen Druckfassung wird die ‹Urfassung› aus dem Notizbuch-Zyklus Beschwörung des Todes beigegeben, die aber nur partiell thematisiert wird. Der zweite, rein editorische Teil präsentiert erstmals integral die auf dem Notizbuch-Zyklus basierenden Manuskript-Fassungen, die auch die massgebenden Textfassungen für die Druckvorlagen abgaben. 1984 setzte Raeber das Thema der «Beschwörung» fort mit einer Reihe von 13 Gedichten: Beschwörung. Andere Abteilung. Dieser nur im Notizbuch Vorbemerkung 8 festgehaltene Zyklus wird im dritten, ursprünglich nicht vorgesehenen Teil unseres Buchs wiedergegeben. Er provoziert neue Fragestellungen. Die umrahmenden Kommentare greifen einiges davon auf und hoffen, damit zu weiterführender Erkundung der Beschwörungen anzuregen. Unser Dank gehört Markus Hediger, dessen Erinnerungen an Kuno Raeber diesen Band abschliessen. Ausserdem danken wir Thomas Binder, der an den Transkriptionen mitbeteiligt war. Der kommentierten Werkausgabe von Christiane Wyrwa und Matthias Klein verdanken wir wesentliche Erkenntnisse und wertvolle Anregungen. Raebers Nachlass befindet sich im Schweizerischen Literaturarchiv (SLA), das die editorische Arbeit durch Bereitstellung aller benötigten Materialien erleichterte. Frau Felicitas Graf und den übrigen Nachlass-Erben danken wir für die Erlaubnis, alle nötigen Dokumente verwenden und publizieren zu dürfen. - Die edierten Gedichttexte basieren auf der historisch-kritischen Online-Edition zu Raebers Lyrik (www.kunoraeber.ch) und auf der 2020 im Chronos Verlag erschienenen Auswahl-Edition Dieses enorme Gedicht … 1 Kuno Raebers eigenwilliges Werk hatte von Anbeginn an einen schweren Stand im Literaturbetrieb. Der Kunstpreis der Stadt Luzern brachte 1991 die letzte öffentliche Anerkennung. Unsere Publikation erscheint, als kleine Geste der Erinnerung, zum 100. Geburtstag des Autors. Basel, Januar 2022 Wolfram Malte Fues ( MF ) / Walter Morgenthaler ( WM ) 1 Vgl. Bibliografische Hinweise → Seite 134. 9 Vorschlag Duggingen, 1.12.2017 Lieber Walter "Beschwörung" beschäftigt mich weiterhin stark; das war kaum ein Anfang, den die "denkwürdige Raeber-Veranstaltung" da machen konnte. Da möchte ich gerne weiterdenken und -arbeiten, und zwar sehr gerne mit Dir gemeinsam. Mir schwebt eine in mehrfachem Sinn paradigmatische Darstellung vor, in der interpretatorische, editorische, lyriktechnische und lyriktheoretische Linien sich miteinander verknüpfen mit reichlich viel offenen Enden, versteht sich. Dieser mein noch sehr karger Einfall muss natürlich noch weiter präzisiert und konkretisiert werden. Hast Du im Prinzip Lust, dabei mitzumachen? Würde mich freuen. Duggingen, 18.12.2017 Lieber Walter Es gibt nichts Gutes(? ! ? )- ausser man tut es. So auch hier. Du findest im Anhang meinen Brief-Anbzw. Vorschlag; ich freue mich, wenn Du zurückschlägst. Basel, 3.12.2017 Lieber Malte Sicher ist "Beschwörung" wunderbar ausbaufähig, mit offenen Enden in alle Himmelsrichtungen, und natürlich interessiert mich das auch. Ich selbst laboriere, wie schon mal erwähnt, an einem Begleitband zur digitalen Edition, der sicher auch nicht auf die "Beschwörung" verzichten wird, aber sich natürlich strikt an die editorischen Dinge hält. Ein Komplementärprojekt mit theoretischem Drive wäre reizend. Ein Zwei-Flanken-Angriff auf die Festung der Gewissheiten. Aber die Mühsal / aber / das Schwinden der Kräfte. Im Ernst: Ich sehe das angesichts der sonst noch anstehenden Dinge für mich nicht so recht. Aber wir können gern mal darüber sinnieren. Wer weiss? Basel, 18.12.2017 Lieber Malte Du bist hartnäckig! Vermutlich werde ich antworten wollen, aber erst nach Christi Geburt, die sich ja jedes Jahr aufs neue ereignet, so dass mir noch beliebig viel Zeit bleibt. Ich werde mich aber auf den nächstmöglichen Umlauf konzentrieren und mir vom alsdannigen Christkind noch etwas geistigen Beistand erbitten müssen. Kann sein, dass ich ob solch mystischer Gelegenheit sanft wie ein Lamm werde und zu keinerlei Einspruch mehr tauge. - Übrigens kommt mir die Heidegger- Staiger-Kontroverse über Mörikes Lampe in den Sinn, was nicht gerade ein gutes Omen ist. Mailbox